topplus Umbau des Abferkelstalls

Wie die freie Abferkelung von Sauen gelingen kann

In der Schweiz ferkeln die Sauen bereits seit Jahren frei ab. Eine junge Landwirtin aus Deutschland hat sich das System in der Praxis angeschaut und weiß nun: Es kommt auf die Details an!

Lesezeit: 7 Minuten

Sauenhalter sollten sich den 9. Februar 2033 im Kalender rot markieren. Denn dann müssen sie ihre Betriebs- und Umbaukonzepte für den Abferkelstall vorlegen. Viele Ferkelerzeuger tendieren dazu, Bewegungsbuchten in ein neues oder bestehendes Stallgebäude einzubauen. Das wird schnell teuer werden.

Neben dem klassischen Konzept gibt es weitere Alternativen. In der Schweiz auf dem Hof von Familie Thoma hat sich die freie Abferkelung bereits seit Jahren etabliert. Denn in der Schweiz dürfen Landwirte ihre Sauen bereits seit 2007 nicht mehr in einem Ferkelschutzkorb fixieren. Die Schweizer Schweinehalter haben daher schon viele Jahre Erfahrung mit der freien Abferkelung. 

Schnell gelesen

  • Im Abferkelstall dürfen die Sauen ab 2036 nur noch kurzzeitig fixiert werden. Viele Sauenhalter müssen ihre Ställe daher auf mehr Bewegung umbauen.

  • Die freie Abferkelung ist in der Schweiz auf dem Hof von Familie Thoma etabliert. Durch die Bewegung sind die Tiere vitaler.

  • Zur eigenen Arbeitssicherheit müssen Landwirte die Sau genau im Blick haben und im Notfall schnell reagieren können.

Davon wollte sich die 26-jährige Jana Emmert aus dem Landkreis Kitzingen in Bayern selbst ein Bild machen. Denn für ihren elterlichen Ferkelerzeugerbetrieb sucht die Technikerin für Landbau noch eine Lösung für den Umbau des Abferkelstalls. Im Herbst 2024 absolvierte sie daher ein zweiwöchiges Praktikum auf dem Schweizer Sauenbetrieb der Familie Thoma im Kanton St. Gallen.

Eine Alternative zur freien Abferkelung ist der Umbau des Abferkelstalls zur Gruppenhaltung ferkelführender Sauen. Mehr Infos dazu gibt's hier:

Freie Abferkelung im Tierwohlprogramm

Der Betrieb ist für Schweizer Verhältnisse relativ groß und hält 90 Sauen im Drei-Wochen-Rhythmus mit 1.000 angeschlossenen Mastplätzen. Neben dem Betriebsleiter packen noch ein Altenteiler, ein Mitarbeiter und zwei Auszubildende mit an. Weil der Betrieb am Schweizer Tierwohlprogramm IP Suisse teilnimmt, steht den Sauen und Mastschweinen unter anderem mehr Platz, jederzeit Einstreu und der Zugang zu einem Auslauf zur Verfügung. Dafür erhält die Familie einen Bonus auf die Notierung je kg Schlachtgewicht.

Die tragenden Sauen werden in einer Großgruppe mit Auslauf ins Freie gehalten und über zwei Abrufstationen von WEDA gefüttert. Eine Woche vor dem errechneten Abferkeltermin stallt das Team die Sauen in die gereinigte Abferkelbucht um. Die gewaschenen Buchten werden anschließend mit Schmierseife eingesprüht. „Die Familie verzichtet aus Überzeugung auf chemische Reinigungsmittel, weil sie auch die positive Keimflora im Stall zerstören könnten“, erinnert sich Emmert.

Die Familie verzichtet auf chemische Reinigungsmittel, weil sie die positive Keimflora zerstören könnten.
Jana Emmert

Seit 2021 hat der Betrieb 24 Abferkelbuchten vom Hersteller ATX Suisse im Einsatz – verteilt auf drei Abteile. In jedem Stallabteil sind je vier sogenannte Strukturbuchten rechts und links an einem Zentralgang angeordnet. Sie haben jeweils eine Grundfläche von 8,66 m². Die Abferkelbucht teilt sich auf in einen Fressbereich mit Gitterrosten, eine Festfläche mit Einstreu sowie ein Thermo-Ferkelnest.

Die Leistungen des Betriebs sind beachtlich: Die Zahl der abgesetzten Ferkel liegt bei 31 pro Sau und Jahr, die Umrauscherquote bei nur 8 % und auch die Saugferkelverluste sind mit 8,5 % sehr niedrig. Außerdem verzeichnet die Familie gerade einmal 4,16 % Erdrückungsverluste.

Details bestimmen den Erfolg

„Der Erfolg des Systems wird durch die vielen Details bestimmt“, ist Jana Emmert überzeugt. Dazu gehört ein schräg montiertes Strukturelement, das den Fress- vom Liegebereich trennt. Der ist mit Stroh und besonders saugfähigem Fichtensägemehl eingestreut. „Während der täglichen Tierkontrolle haben wir bei Bedarf die Kotbereiche abgekratzt und nachgestreut“, erklärt Jana Emmert. Der Betrieb setzt zudem Güllezusätze ein, sodass die Gülle trotz des Strohs gut fließfähig bleibt.

Der Fressbereich der Sau ist mit dem  Futterautomaten MuKimat von ATX Suisse ausgestattet. Über ein Schüttelrohr wird die Sau ad libitum gefüttert. Die Trogschale des Futterautomaten ist extra niedrig angeordnet, sodass auch die Saugferkel ab dem zehnten Lebenstag darüber Festfutter aufnehmen können. Aus der benachbarten Tränkeschale kann die Sau saufen. Sie ist mit einem Überlauf ausgestattet. „So bleibt die Bucht trocken, auch wenn die Sauen mit dem Wasser spielen“, sagt Emmert.

Das Wohlgefühl der Tiere steht an erster Stelle

Geschlitzte Türen zu den benachbarten Buchten sorgen dafür, dass die Sauen Kontakt zu den anderen Würfen aufnehmen können. Das fördert das Abkoten in diesem Bereich, denn die Tiere wollen hier gezielt ihr Revier markieren. Die Ferkel ahmen es anschließend ihren Müttern nach. An der Buchtenwand ist zudem ein abgeschrägtes Abliegebrett für die Sau angebracht, sodass sie möglichst keine Ferkel erdrückt.

Herzstück des ATX-Systems ist das Thermo-Ferkelnest. Es liegt direkt am Gang, was die Ferkelkontrolle vereinfacht. Über eine Infrarotheizung wird es zum Abferkeln ganzjährig auf 40 °C geheizt. Dann reguliert sich die Temperatur automatisch bis zum Absetzen auf etwa 30 °C herunter. Bei Bedarf kann man die Temperatur bei einzelnen Würfen auch manuell regulieren. 

Außerdem schützt ein doppelter Kunststoffvorhang, der im untersten Drittel eingeschlitzt ist, die Ferkel vor Wärmeverlust. Die hohe Temperatur im Nest sorgt laut Emmert dafür, dass kleine und schwache Ferkel besser überleben, da sie keine Energie für den Erhaltungsbedarf verbrauchen. Während des Abferkelns ist der Vorhang geöffnet. Außerdem sorgt ein Brett dafür, dass die Wärme der Sau zugeleitet wird. „Das soll sie während der Geburt entspannen“, erklärt die Landwirtin.

Zum Reinigen lässt sich der Vorhang am Ferkelnest abnehmen, sodass man zuerst das Stroh-Sägemehl-Gemisch aus der Bucht entfernen kann. Anschließend kann man sie relativ schnell mit dem Hochdruckreiniger säubern, weil kein Ferkelschutzkorb mitgereinigt werden muss.

Vor dem Ferkelnest ist zudem ein Metallrahmen mit U-Bügeln angebracht, damit die Sau nicht ins Ferkelnest gelangen kann. Die Ferkel können jedoch hindurchschlüpfen. Um die Ferkel zu fixieren, lässt sich das Nest mit einem Brett verschließen.

Schutz vor Unfällen

„Während der Abferkelungen mussten wir keine Geburtshilfe leisten“, erinnert sich Emmert. Die Landwirtin führt das auf die Fitness der Tiere durch die ganzjährige Bewegung zurück. Außerdem ist es optimal, wenn die Ferkel mit dem Körper im Nest und nur mit dem Rüssel an der frischen Luft liegen – so werden sie, ähnlich wie Menschen unter der Bettdecke, warm gehalten.

Man sollte die Sauen immer im Blick behalten und ihnen nie den Rücken zudrehen.
Jana Emmert

Durch die Türen zum Gang können sich die Tierbetreuer bei Gefahr, z. B. durch aggressive Sauen, in Sicherheit begeben. Jana Emmert hatte während der Tierkontrolle auch immer einen Kotkratzer dabei, um sich bei Bedarf verteidigen zu können. „Man sollte die Sauen immer im Blick behalten und ihnen nie den Rücken zudrehen. Auch das Handy bleibt währenddessen in der Tasche!“, lautet ihr Rat. Aber auch ein ruhiges Betreten der Bucht und ein respektvoller Umgang mit den Sauen sorgt für reibungsloses Arbeiten. Daran halten sich alle Arbeitskräfte auf dem Hof. 

Genetik, Tierbehandlung und Reinigung sind das A und O

Auch die Wahl der passenden Genetik spielt eine Rolle für den Erfolg des Systems. „Die eingesetzte Herkunft Duroc gepaart mit Schweizer Edelschwein ist für das freie Abferkeln sehr gut geeignet“, hat Emmert beobachtet. Denn Schweizer Edelschweine sind bekannt für ihr ruhiges Gemüt. Der Duroc-Eber als Vaterrasse wächst zudem etwas langsamer als ein Pietrain, was der Haltung mit Langschwanz zugutekommt. Aggressive Einzeltiere selektiert der Betriebsleiter zudem konsequent aus.

„Mensch und Genetik entscheiden über den Erfolg dieses Systems.“
Jana Emmert

Die Ferkel kastriert das Team bis zum zwölften Lebenstag unter Betäubung mit Isofluran. Die Zähne werden am ersten Lebenstag geschliffen, die Schwänze bleiben intakt. Nach 28 Tagen Säugezeit werden die Ferkel abgesetzt und ziehen in den Aufzuchtstall um. Zu diesem Zeitpunkt haben sie ein Gewicht von 10 bis 12 kg erreicht.

Weil Familie Thoma duldungsorientiert besamt, also ohne den Einsatz von Hormonen, kann sie den Drei-Wochen-Rhythmus nicht immer einhalten und die Abteile daher nicht konsequent im Rein-Raus belegen. Auch hier erleichtert ein Detail in der Abferkelbucht die Arbeit: Sie ist ringsum mit Polypropylen-Paneelen verkleidet, sodass keine Kältebrücken entstehen können. Weil die Paneele einbetoniert sind, gelangt beim Reinigen kein Wasser in die benachbarte Bucht. „Man kann die eine Bucht waschen, während nebenan gerade noch Ferkel gesäugt werden“, ist Emmert begeistert. Auch das Ferkelnest ist komplett verschweißt. Dadurch entsteht keine Zugluft und Erreger sowie Fliegenmaden können sich nicht in den Ritzen einnisten.

Wir Deutschen können von unseren Schweizer Berufskollegen noch viel lernen
Jana Emmert

Landwirte, die sich für die freie Abferkelung interessieren, sollten ebenfalls einmal in einem Betrieb mitarbeiten, der das Konzept bereits erfolgreich etabliert hat, empfiehlt die junge Landwirtin. „Wir Deutschen können von unseren Schweizer Berufskollegen noch viel lernen“, so ihr Fazit.

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