Sauenhalter sollten sich den 9. Februar 2033 im Kalender rot markieren. Denn dann müssen sie ihre Betriebs- und Umbaukonzepte für den Abferkelstall vorlegen. Viele Ferkelerzeuger tendieren dazu, Bewegungsbuchten in ein neues oder bestehendes Stallgebäude einzubauen. Das wird schnell teuer.
Neben dem klassischen Konzept gibt es jedoch weitere Alternativen. Familie Specht setzt dabei auf das Gruppensäugen ab dem dritten Lebenstag. Wir haben uns zeigen lassen, wie dieses Konzept funktioniert und worauf es beim Management ankommt.
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Im Abferkelstall dürfen die Sauen ab 2036 nur noch kurzzeitig fixiert werden. Viele Sauenhalter müssen ihre Ställe daher auf mehr Bewegung umbauen.
Beim Gruppensäugen auf dem Hof Specht leben drei ferkelführende Sauen ab dem dritten Lebenstag zusammen in einer Bucht.
Der Absetzknick bleibt durch die Haltung in der Gruppe aus, da die Ferkel stresstoleranter und ruhiger sind.
Worauf man bei anderen Alternativen, wie beispielsweise der freien Abferkelung achten sollte, lesen sie hier:
Ferkel in Gruppen säugen
Während viele Sauenhalter noch überlegen, wie sie ihre Abferkelställe umrüsten, hat Familie Specht bereits 2020 den ersten Schritt gemacht. Sie lebt im Landkreis Ammerland in Niedersachsen und hält 200 Sauen im Zwei-Wochen-Rhythmus und hat 2.000 Mastplätze im geschlossenen System.
Ein Auslöser für das frühe Handeln waren die steigenden Wurfzahlen. „Die Sauen haben mittlerweile so viele Ferkel, die Abferkelbucht ist nach einigen Tagen zu klein. Daher stallen wir unsere Sauen und Ferkel nach drei Tagen um“, erklärt Landwirt Renke Specht.
Das Ziel des Umbaus war die Gruppenhaltung ferkelführender Sauen. „Mein Opa hat’s schon vor 50 Jahren so gemacht“, erinnert sich Specht. Doch bis zum fertigen Stall war es ein langer Weg. Die Familie hat zwei Jahre lang im alten Maststall getüftelt, bis sie mit dem Konzept zufrieden war.
Letztlich haben sie den Stall gemeinsam mit dem Stalleinrichter Big Dutchman realisiert. Das Stallkonzept vermarktet das Unternehmen mittlerweile unter der Bezeichnung Agilo RS.
Stall für Sauen und Ferkel
Der Stall besteht aus zwei Abteilen mit jeweils sechs Buchten. Jede Bucht ist 5,5 m × 3,0 m groß. Der Platz pro Bucht reicht für drei Sauen plus ihre Ferkel. Hinzu kommt ein 4,5 m² großes Ferkelnest. Das Nest ist durch die Trogwand vom Aufenthaltsbereich der Sau getrennt. Die Ferkel laufen einfach unter der Trennwand hindurch. Diese kann manuell über einen Seilzug verschlossen werden, beispielsweise um die Ferkel für Behandlungen im Ferkelnest zu halten. Durch eine Tür kann das Stallpersonal des Betriebs schnell zwischen den Bereichen wechseln.
Die Sauen haben genug Platz, um Funktionsbereiche anzulegen. Die Tränken und Gussrostböden im hinteren Bereich sollen den Kotbereich für die Tiere markieren. Dank Trenngittern können die Schweine Kontakt zu den Nachbarbuchten aufnehmen. Im Aktivitätsbereich liegt ein vollperforierter Kunststoffboden, im Liegebereich Gussrostböden mit wenig Perforation.
Zwei Holzstämme dienen als Scheuerbalken und Abliegehilfe. Zudem können sich die Sauen so ein wenig aus dem Weg gehen. Dafür haben Spechts unbehandeltes Eichenholz aus dem eigenen Wald benutzt. Auch die Ferkel scheuern sich gerne am Holz.
Den Wurfausgleich führt das Team in den ersten zwei Tagen im Abferkelstall durch. Die Sauen stallen sie montags morgens in die Gruppenhaltung um. Die Ferkelbehandlung erledigen sie auf dem Weg dorthin in einem extra Raum. „Zum einen sollen die Ferkel nicht in ihrem neuen Lebensraum behandelt werden, zum anderen soll die separate Belüftung des Raums den Arbeitsschutz bei der Kastration mit Isofluran verbessern“, erklärt der Landwirt. Alle Ferkel behalten dabei ihren Langschwanz.
Im Anschluss werden die Ferkel zu ihren Muttersauen gestallt. Meist verbringen die Tiere viereinhalb Wochen in der Gruppe. Danach werden die Ferkel in den Flatdeckstall umgetrieben.
Die bodennahen Tröge der Trockenfütterung sind sowohl von der Bucht als auch vom Ferkelnest aus erreichbar. Der große Vorteil ist, dass die Ferkel von Anfang an bei der Sau mitfressen. „Wie bei Wildschweinen in freier Natur lernen die Ferkel so sehr schnell das Fressen von festem Futter“, schildert Renke Specht seine Beobachtungen. Die Ferkel favorisieren zwar weiterhin die Milch der Sau, doch das Sauenfutter folgt gleich auf Platz zwei. Am Prestarter zeigen die Ferkel weniger Interesse, davon fressen sie meist nur einen kleinen Happen.
Viel Platz, wenig Eisen
Die Ferkel impft Familie Specht im Ferkelnest. „Im Ferkelnest können wir uns frei bewegen und die Ferkel sich nicht hinter einzelnen Bauteilen verstecken“, erklärt Sonja Specht.
Das Stallkonzept hat noch einen weiteren Vorteil. Weil wenig Bauteile in den Buchten vorhanden sind, kann ein Waschroboter die Buchten zügig reinigen. So spart die Familie wöchentlich allein in diesem Stall fünf bis sechs Arbeitsstunden ein. Im gesamten Betrieb ersetzt der Roboter eine Arbeitskraft. Dabei ist das Ergebnis beachtenswert. „Das Abteil ist zu 98 % sauber. Und es bleibt kein Tropfen Gülle in den 60 cm tiefen Güllekellern“, so Specht. Das verbessert das Stallklima, erleichtert die Schädlingsbekämpfung und reduziert die Keimbelastung.
Die Sauen reagieren gelassen auf das Umstallen in das neue Abteil. Rangkämpfe zwischen den Muttertieren, Aggression gegenüber fremden Ferkeln oder einen Einfluss auf die Rausche hat Familie Specht bisher nicht festgestellt. Vielmehr kommt die große Bucht der Tiergesundheit zugute. „Sowohl für die Sau als auch die Ferkel ist es gut, wenn sie sich zügig nach der Geburt viel bewegen können“, berichtet Familie Specht. Die Sauen sind viel fitter und fressen mindestens doppelt so viel, als wenn sie nur in der Abferkelbucht stehen. Die Sauen bleiben dadurch besser in Kondition und können ihre Ferkel länger säugen. Aufgefallen ist Familie Specht auch, dass Verletzungen am Gesäuge seltener vorkommen.
Die Ferkelverluste sind dabei etwas niedriger als in den früheren Abferkelbuchten. Der soziale Kontakt und das größere Platzangebot führen zu ruhigeren Sauen, die mehr auf ihre Ferkel achten, vermutet die Familie.
Auch die ausgeprägte Mütterlichkeit der Ammerländer Edelschweine dürfte einen positiven Einfluss haben. Seit der Hofgründung vor vier Generationen wird die Rasse auf dem Hof gezüchtet. Als Vaterlinie setzt die Familie meist auf Duroc und in Teilen Piétrain-Eber von German Genetics.
„Tiere wachsen zügig durch“
Sehr zufrieden ist Renke Specht mit den Leistungen der Ferkel. „Nach der ersten Lebenswoche sind die Ferkel in der Gruppenhaltung rund 6 bis 7 % leichter als Tiere in einer Abferkelbucht. Beim Absetzen am 35. Lebenstag sind sie schon über ein Kilogramm schwerer. Am Ende der Ferkelaufzucht am 75. Lebenstag liegt der Unterschied bei über 4 kg“, hat Specht festgestellt.
Der in anderen Betrieben häufig vorkommende Absetzknick bleibt anschließend aus. Vielmehr hat sich die kurze Wachstumsdepression auf den dritten Lebenstag verschoben, wenn die Ferkel in die Gruppe umgestallt werden. Dann jedoch mindert der Kontakt zur Mutter den Stress, wenn die Ferkel auf die anderen Würfe treffen. So wird der soziale Umgang untereinander schon früh trainiert. Die Absetzferkel sind „innerlich gefestigt“, so das Urteil der Familie. Das macht sich auch später im Flatdeck bemerkbar. Dort gibt es weniger Rangkämpfe oder Verletzungen. „Dadurch wachsen die Ferkel viel zügiger durch“, so Renke Specht.
Ähnliches zeigt sich in der Mast. Dort liegen die Tageszunahmen bei über 1.100 g. Zudem sind die Schweine ruhig. Verletzungen gibt es quasi nicht. Ein Indikator hierfür sind die 99 % intakten Langschwänze beim Schlachten.
Gewappnet für die Zukunft
Die Baukosten des Stalls sind aufgrund der langen Entwicklungszeit schwer zu beziffern. Zudem diente eine frühere Maschinenhalle auf dem Betrieb als Bauhülle. Laut Firmenangabe kostete die Stallinneneinrichtung beim Stallbau 2020 rund 2.400 € (netto) je Sauenplatz inkl. Montage, Elektroarbeiten und Beleuchtung.
Nach über vier Jahren Erfahrung ist Familie Specht von ihrem Haltungssystem weiterhin hundertprozentig überzeugt. Auch einen Auslauf könnte sie bei Bedarf noch ergänzen. Zudem ist sie optimistisch, auf den Umbau des Abferkelstalls verzichten zu können (siehe nachfolgenden Kasten). Schließlich sind die Sauen schon jetzt nur noch sechs Tage im Abferkelstall fixiert. Deshalb erprobt Familie Specht nun den Einsatz intelligenter Ohrmarken, welche die Körpertemperatur und Bewegung der Sauen aufzeichnen. Das soll dabei helfen, die Rausche und anstehende Geburt frühzeitig zu erkennen. Dadurch wollen Spechts die Ausnutzung der Stallplätze weiter optimieren.
Nur eine Sache würde Familie Specht beim nächsten Bau anders machen. „Wir würden den Flatdeck weglassen und die Ferkel bis zur Mast in der gleichen Gruppe halten“, so das Resümee.
Kein Umbau des Abferkelstalls dank Gruppenhaltung der Sauen?
Laut Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung dürfen Sauen zukünftig maximal fünf Tage rund um die Geburt im Kastenstand gehalten werden. Der Tag der Geburt ist einer dieser Tage. Kann man also auf den Umbau des Abferkelstalls verzichten, wenn die Sauen in einem separaten Stall in Gruppen säugen? Die Stallbauexperten Bernhard Feller von der Landwirtschaftskammer NRW und Wilfried Brede vom Serviceteam Alsfeld geben Folgendes zu bedenken:
Selbst kleine Schwankungen der Geburtstermine sind im engen Zeitfenster kritisch. Verzögert man das Umtreiben, könnten die Sauen im Wartestall abferkeln. Stallt man zu früh um, müssen die Sauen und Ferkel bereits am ersten Lebenstag in die Gruppenhaltung wechseln.
Also müssen die Umrauscherquote minimal und die Geburtstermine möglichst synchron sein. Bei der Rauscheerkennung und Geburtsprognose können Sensorsysteme helfen. Bis diese praxistauglich sind, könnte es jedoch noch dauern.
Die TierSchutzNutztV schreibt ein Mindestbuchtenmaß von 6,5 m² vor. Ob die Abferkelbucht für die Zeit einer möglichen Fixierung kleiner sein darf, ist bisher nicht geklärt. Die zuständigen Behörden könnten das Vorgehen jedoch als Versuch werten, die TierSchNutztV zu umgehen. Es werden klärende Ausführungshinweise der Behörden erwartet.
Die Anzahl der Stallplätze bleibt gleich, doch je nach Produktionsrhythmus benötigen Sie weniger Abferkelbuchten, weil die Sauen kürzere Zeiten darin verbringen. Sollte das Mindestmaß gelten, könnte man zwei alte Buchten zu einer kombinieren. Gilt das Mindestmaß nicht, könnte man den gewonnenen Platz z. B. für das Gruppensäugen nutzen.
Jede Sau muss in der Woche vor dem Abferkeltermin Stroh oder anderes Material zur Befriedigung ihres Nestbauverhaltens erhalten. Als Nestbaumaterial soll zukünftig faserreiches Material wie z. B. Stroh dienen.
Sauen werden in der Regel bis zu sechs Tage vor der Geburt in Bewegungsbuchten eingestallt und erhalten dort das Nestbaumaterial. Somit reicht es aus, die Gülletechnik im Abferkelstall auf die Strohgabe auszurichten, z. B. mit einem Schieber.
Im vorgestellten System werden die Sauen erst ein oder zwei Tage vor der Geburt in die Abferkelbucht getrieben. So haben die Sauen wenig Zeit, sich an diese zu gewöhnen. Zudem müssen sie das Nestbaumaterial schon im Wartestall erhalten und werden aus ihrem „gebautem Nest“ in den Abferkelstall getrieben. Es ist offen, ob die Behörden dieses Vorgehen akzeptieren. Zudem müsste die Gülletechnik in beiden Ställen überprüft und angepasst werden, damit diese nicht verstopft.
Das Verfahren muss zu den Arbeitsabläufen und der Herde passen. Beim häufigeren Umstallen müssen die Ställe häufiger gereinigt werden. Das häufige Umstallen sowie die Gruppenhaltung kann zudem zu mehr Rangkämpfen oder Umrauschern führen. Der Verzicht, Jung- und Altsauen zusammenzustallen sowie stresstolerante und mütterliche Sauengenetiken können vorteilhaft sein. Das Risiko nimmt ab, wenn die Sauen wie in anderen Haltungssystemen vor dem Werfen gruppiert werden. Dies ist im vorgestellten Stallsystem jedoch nicht möglich.
Fazit: Rechtlich ist derzeit offen, ob die alten Abferkelbuchten weiter genutzt werden können, sofern die Sauen maximal fünf Tage darin verbringen. Landwirte, die einen separaten Stall für die Gruppenhaltung säugender Sauen einrichten wollen, sollten frühzeitig Kontakt mit den Behörden aufnehmen. Die Praxisreportage zeigt, dass Schweine mit dem Umstallen während des Säugens zurechtkommen können. Allerdings bezweifeln die Experten, ob die fünftägige Fixierung für das Gros der Betriebe praxistauglich ist. Der größere Arbeitsaufwand, der enge Zeitplan und mögliche Rangkämpfe kurz nach der Geburt scheinen wenig zielführend zu sein. Zudem ist die Wirtschaftlichkeit zu prüfen.