Die neue schwarz-rote Bundesregierung hat sich viel vorgenommen, auch im Agrarsektor. Das wird auch vom Deutschen Raiffeisenverband (DRV) honoriert. Kurz vor dem Beginn des diesjährigen Raiffeisentags hat Verbandspräsident Franz-Josef Holzenkamp der Regierung aber dennoch einige Aufgaben ins Stammbuch geschrieben.
Kostenspirale und Handelsrisiken
Vor Journalisten wies Holzenkamp am Mittwoch in Berlin darauf hin, dass auch die genossenschaftlich organisierten Unternehmen der Agrar- und Ernährungswirtschaft unter hohen Kosten ächzen, die aus Bürokratie sowie hohen Lohn- und Energieniveaus in Deutschland resultieren. Zudem nehmen die internationalen Handelsrisiken immer weiter zu.
„Die Bürokratiekosten belaufen sich mittlerweile allein im Bereich Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei auf 420 Mio. € jährlich“, verdeutlichte der DRV-Präsident. Er nimmt hier die Bundesregierung mit ihrer Ankündigung zum Bürokratieabbau beim Wort und erwartet, dass dieser Berg ab sofort jedes Jahr um ein Viertel abgebaut wird, um die Branchenunternehmen wirksam zu entlasten.
Mit 15 € Mindestlohn steigen Sonderkulturbetriebe aus
Entgegenkommen erwartet Holzenkamp zudem bei den Lohn- und Lohnnebenkosten, die ihm zufolge für deutsche Unternehmen um fast ein Drittel höher ausfallen als im EU-Durchschnitt. Das Brett dürfte in diesem Fall ziemlich dick werden, hat sich doch die SPD auf einen Mindestlohn von 15 € pro Stunde versteift – ohne Ausnahmen.
Das würde laut Holzenkamp aber drastische Folgen nach sich ziehen, da dann insbesondere Sonderkulturbetriebe nicht mehr wettbewerbsfähig wären und aus der Produktion aussteigen müssten. „Bei 15 € werden nicht mehr alle Produkte in Deutschland angeboten. Damit wäre niemandem geholfen“, warnt der Verbandspräsident.
Holzenkamp pocht hier, wie auch der Deutsche Bauernverband (DBV), auf eine Ausnahmeregelung für die Landwirtschaft, um derartige Konsequenzen zu vermeiden. Die müsse mindestens für ungelernte Mitarbeiter gelten.
Der DBV hatte vorgeschlagen, den Mindestlohn in der Landwirtschaft auf 80 % des bundesweit geltenden Niveaus der Mindestlohnkommission festzulegen. Darauf will sich Holzenkamp nicht festlegen lassen. Wichtig sei, dass es zu einer irgendwie gearteten Lösung komme, auch um der Landwirtschaft Zeit zur Anpassung an noch höhere Lohnniveaus zu geben. Zudem sei die Politik gut beraten, sich aus der Mindestlohndebatte herauszuhalten.
Handelsbeziehungen breiter aufstellen
Ein besonderes Risiko für die international handelnden Genossenschaften sind die zunehmenden Volatilitäten an den Weltmärkten: Die erratische Zollpolitik der Trump-Administration, die Gefahr hoher Zölle oder anderer Handelshemmnisse belasten die Geschäfte und wirken nicht nur über die Preise bis zum deutschen Erzeuger nach.
Holzenkamp gibt dazu ein konkretes Beispiel: China hat bei der Produktion der in der Fütterung wichtigen Aminosäure Lysin einen Weltmarktanteil von rund 70 %. In Europa gebe es dafür nur einen französischen Hersteller, der aber gerade einmal 10 % des europäischen Bedarfs abdecken könne. Zölle auf China-Importe würden daher zum extremen Kostenfaktor.
Die Politik müsse deshalb unter anderem mit internationalen Handelsabkommen dafür sorgen, dass sich Europa breiter aufstelle und unabhängiger mache. Unverzichtbar seien dabei aber Spiegelklauseln, um die eigenen Standards zu schützen.
Planungssicherheit und Vertrauen schaffen
Der noch jungen Bundesregierung gibt Holzenkamp zudem die Bitte auf den Weg, die agrarpolitische Planungssicherheit im Sinne der Landwirtschaft im Auge zu behalten. Die habe in den vergangenen Jahren gefehlt, weshalb nicht zuletzt die Investitionen in der Nutztierhaltung auf einen historischen Tiefstand gesunken seien. Das gilt selbst für Holzenkamps eigenen Schweinehaltungsbetrieb, in dem er eigenen Angaben zufolge eigentlich notwendige bauliche Anpassungen vor sich herschiebt, weil der politische Horizont für derartige Investitionen schlicht fehlt.
Vor diesem Hintergrund sieht der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete die wirtschafts- und agrarpolitischen Vorhaben der schwarz-roten Koalition vorsichtig optimistisch. Viel hänge auch davon ab, was am Ende tatsächlich umgesetzt werde, schränkte Holzenkamp ein. Immerhin gilt für viele der vereinbarten Maßnahmen ein Finanzierungsvorbehalt.
An anderer Stelle würde ein neuer Politikstil aber wenig kosten und dennoch große Wirkung entfalten. Beispielsweise in Brüssel, wo sich Holzenkamp ein Ende der jahrelangen Praxis der Enthaltung Deutschlands bei wichtigen Fragen wünscht.
Praktisch kostenfrei wäre auch mehr Vertrauen der Politik in die Arbeit der Landwirte und Genossenschaften. Der Raiffeisenpräsident rät jedenfalls der Bundesregierung dazu, denn das sei auch der beste Weg, um wieder Vertrauen der Wirtschaft in die Politik herzustellen.