Den Einsatz und die Umweltrisiken von Pflanzenschutzmitteln mithilfe des Integrierten Pflanzenschutzes (IPS) reduzieren, ohne dabei auf Ertrag zu verzichten – dass das funktioniert, zeigte sich kürzlich bei einer Fachexkursion auf dem Versuchs- und Bildungszentrum Landwirtschaft Haus Düsse im nordrhein-westfälischen Bad Sassendorf. Auf Einladung des Pflanzenschutzdienstes der Landwirtschaftskammer NRW wurden Teilnehmern der Arbeitskreise „Risikoreduzierung Umwelt“ und „Integrierter Pflanzenschutz“ des Nationalen Aktionsplans Pflanzenschutz (NAP) sowohl langjährig etablierte als auch innovative zukunftsweisende Maßnahmen, Strategien und Techniken, die genau das ermöglichen, demonstriert. Unterstützt wurden die Berater dabei von Betriebsleitern der „Demonstrationsbetriebe Integrierter Pflanzenschutz“, die das BMLEH im Rahmen der „Ackerbaustrategie 2035“ fördert. Hier ein Auszug:
Station 1: Späte Saat - ein wirksamer Hebel im IPS
In der Soester Börde wurde auf Versuchsflächen Wintergerste nach Winterweizen ausgedrillt. Zur Wintergerste wurde gepflügt und die Saatbettbereitung mittels Grubber und Kreiselegge durchgeführt. Der Versuch wurde mit 4 Wiederholungen als randomisierte Blockanlage angelegt. Um den Einfluss von Saattermin und Sorte auf das Auftreten von Schaderregern und so mögliche Reduktionsmöglichkeiten beim Pflanzenschutz aufzeigen zu können, wurden eben diese Faktoren variiert. Gesät wurde am 6.10. und am 23.10.2024. Während der 6.10. mittlerweile ein gängiger Termin für die Region um Soest ist, ist der 23.10. im Hinblick auf die wichtige Vorwinterentwicklung der Wintergerste grenzwertig. Als Sorten wurde Avantasia und Fascination gewählt. Avantasia ist resistent gegenüber Typ 1 und 2 des bodenbürtigen Gelbmosikvirus (BYMV) der Gerste. Die Sorte Fantasia verfügt über eine Resistenz gegen das Gelbverzwergungsvirus (BYDV) und ist z.B. als wenig anfällig gegenüber Zwergrost eingestuft. Die wichtigsten Ergebnisse:
Einfluss auf die Ungrasunterdrückung: Die Sorten wurden jeweils mit und ohne Ackerfuchsschwanz (1.000 Samen/m²) ausgesät. Der Ackerfuchsschwanzbesatz lag am 20. Mai in den Varianten, die am 6.10.2024 gesät wurden, bei 125 (Sorte Avantasia) und bei 160 Ähren/m² (Sorte Fascination). Durch den Einsatz von 0,6 l/ha Herold SC + 2,0 l/ha Lentipur 700 im Vorauflauf, ließ sich der Besatz um jeweils 85 % (Avantasia) bzw. 80 % (Fascination) reduzieren. Eine vergleichbare Reduktion brachte ein späterer Saattermin. Als ein Vertreter eines Wasserverbands vor dieser Parzelle stand, war seine Reaktion: „Das gibt’s doch nicht“. In den Varianten „späte Saat + Herbizid“ war kein Ackerfuchsschwanz mehr zu finden.
Einfluss auf den Schädlingsbefall: Im Herbst wies die früh gesäte Sorte Avantasia Befall mit Gelbverzwergungsvirus auf. Dieser Befall (ca. 2 % der Pflanzen) konnte durch den Einsatz eines Insektizids verhindert werden. In der resistenten Sorte Fascination bzw. im gesamten Spätsaatblock war kein Befall festzustellen.
Einfluss auf den Pilzbefall: Am 23.5.2025 sah man einen deutlichen Sortenunterschied beim Befall mit Zwergrost. Bei Avantasia sind 7 %, bei Fascination 3 % des Blattapparates befallen. In der späteren Saat ist der Befall vergleichbar. Durch zwei Fungizidbehandlungen ließ sich der Befall bis heute weitestgehend unterbinden. Ob die Fungizidmaßnahme in der Sorte Fascination wirtschaftlich war, lässt sich erst nach der Ernte ermitteln.
Vorläufiges Fazit: Durch den späteren Saattermin konnte der Ungrasbesatz um mehr als 80 % gesenkt werden. BYDV-Virus-Befall lässt sich durch eine späte Saat bzw. durch die Sortenwahl um 100 % reduzieren. Der Befall mit Zwergrost liegt in der Sorte Fascination derzeit 60 % unter dem der Sorte Avantasia.
Station 2: Innovative Techniken
Auf einem Zuckerrübenschlag wurden bei der Feld-Demonstration zwei Schwerpunktthemen aufgegriffen:
Risikoreduzierung und Management bei der Pflanzenschutzmittelanwendung durch moderne Technik
Potenziale zur Pflanzenschutzmittelreduktion im Integrierten Zuckerrübenanbau
Es wurden Geräte gezeigt, die vom aktuell verfügbaren Stand der Technik, bis hin zu zukunftweisenden autonomen Systemen die verfügbare Bandbreite an technischen Lösungen aufzeigen. Der Fokus lag dabei auf Nachrüstlösungen, um im Einsatz befindliche Spritzen mit innovativen Lösungen weiter nutzen zu können. So wurde z.B. eine Praxisspritze gezeigt, die mit einem geschlossenen Befüllsystem (easy flow), einer variablen Bandspritzeinrichtung für den Zuckerrübenanbau und einer kontinuierlichen Innenreinigung ausgestattet war. Praktikabilität und einfache Handhabung im Alltag sind dabei Erfolgsfaktoren für die Praxis.
Eine weitere Spritze zeigte eine Nachrüstlösung zur Thematik Düsenabstand und Pulsweitenmodulation (PWM). Diese Spritze wurde mit einem PWM-System der Firma Lacos mit 25 cm-Düsenabstand nachgerüstet. Im SpotSpray-Modus arbeitet sie eine Applikationskarte ab, die zuvor von der Firma SAM-Dimension erstellt wurde. So ließen sich Distelnester in Rüben selektiv behandeln. Bei der Erfassung der Distelnester wurde auch ein nicht zu behandelndes Hindernis (künstlicher Tümpel) aufgenommen, mit einer Sicherheitszone von 5 m versehen und ebenfalls kartiert. Der Anwender wird automatisiert dabei unterstützt diese Bereiche unbehandelt zu lassen, erfüllt die gesetzlichen Auflagen und setzt erfolgreich die erforderlichen Risikomanagementmaßnahmen um.
Station 3: Neues zur Robotic
An einer dritten Station wurde ein autonomes System der Firma Farming Revolution, der Farming GT, demonstriert. Dieses System kombiniert die Verfahren Hacken – in und zwischen den Reihen – als auch Spot Spraying in einem Arbeitsgang. Durch das Spot-System wird direkt um die Rübenpflanze behandelt, um so der Hacke einen größeren Sicherheitsabstand zur Kulturpflanze zu ermöglichen. Bei der Befüllung des Systems im Feld setzt die Firma ebenfalls auf das CTS easy flow. Hier ist die Anwendersicherheit und das maximale Einsparpotential bei der Pflanzenschutzmittelausbringung in einem Gerät vereint.
Fazit
Die Versuche und Vorführungen zeigen eindeutig, dass es etablierte und innovative Maßnahmen, Strategien und Techniken des Integrierten Pflanzenschutzes gibt, mit denen sich der Einsatz und das Risiko von Pflanzenschutzmitteln ohne Ertragsverlust reduzieren lassen. Dabei ist der IPS ein hochkomplexes, sich kontinuierlich weiterentwickelndes System, dass Landwirte abhängig von betriebs-, standort-, kultur- und jahresbedingten Komponenten umsetzen – nicht alles geht immer und überall! Das heißt: Die Umsetzung und innovative Weiterentwicklung des IPS findet sehr wohl in der landwirtschaftlichen Praxis statt und muss nicht von externen Vertretern definiert werden.